Montags 8 Uhr, Treffpunkt ist der Parkplatz vor der alten Mühle in Meinersen. Die vier Protagonisten Maren, Lars, Andres und ich. Vor uns liegen knappe 4000km Wegstrecke durch 4 Länder. Zum Glück können meine Begleiter auf einige Reiseerfahrungen aus den Osteuropäischen Ländern zurückgreifen. Maren und Lars haben beide schon eine solche Tour bestritten, Andres war bereits einige Male beruflich hier unterwegs. Der einzig gänzlich unerfahrene auf dieser Tour war ich. Aber was war eigentlich unser Auftrag? Beladen mit Spenden, Medikamenten und einer riesigen Ladung Schuhkartons sollten wir uns auf den beschwerlichen Weg nach Siret in Rumänien machen. Die Schuhkartons sind kleine Geschenke für ukrainische Schulkinder der 1.- 4. Klasse, gefüllt mit Schreibwaren, Malkästen, Malbüchern, Knete und vielen anderen tollen Sachen, die die Schüler der Hauptschule Meinersen gesammelt haben. Ein weiterer Teil unserer Ladung wird auch noch für ein Lächeln in den Gesichtern unserer Empfänger sorgen. In Zusammenarbeit mit der Apotheke an der Oker konnten wir eine Großbestellung realisieren und 5000€ der gesammelten Spendengelder in Medizinartikel investieren. Dringend benötigtes medizinisches Material und Medikamente wie Schmerztabletten, Infusionen, Verbänden und Antibiotika. Natürlich hatten wir auch jede Menge Sachspenden geladen darunter Essen, Kleidung, Stofftiere und Hygieneartikel. Hier ist auch besonders die Spende des DM Marktes aus Wolfsburg zu erwähnen, die uns einige Tage vor Abfahrt erreicht hat.
Also Montag, 8 Uhr Meinersen, die Fahrzeuge gepackt, die Fahrer motiviert und herrlichstes Autofahrwetter in Aussicht. Was soll schiefgehen? Wir preschen los, erst Richtung Autobahn A2, dann Richtung Magdeburg. Kurz nach der Abfahrt erreicht uns eine Nachricht, dass zwei befreundete Ukrainehelfer aus Hamburg direkt hinter uns sind. Zeit für die erste Pause in Marienborn auf einen Kaffee mit den beiden. Wir nutzen diesen verfrühten Stopp ebenfalls für einen kleinen technischen Halt. Luft auffüllen und schauen, ob sich nach den ersten Kilometern etwas an der Ladung getan hat. Ulli und Wolfgang, die beiden Hamburger Feuerwehrmänner, erzählen von ihrer Route und wir tauschen uns über Unterkünfte aus. Dann geht es weiter. Von Magdeburg aus auf die A14 Richtung Dresden und der Grenze nach Tschechien entgegen. Viel zu erzählen gibt es bis zu unsrer Ersten Herberge kurz hinter Prag nicht. Zumindest nichts für euch, es sind nur endlos erscheinende Kilometer Autobahn. Ganz anders in unserem von der Feuerwehr Dalldorf bereitgestellten Fahrzeug, hier lernen wir uns langsam kennen. Sie müssen sich das so vorstellen, Andres und ich hatten uns vorher noch nie gesehen und auf einmal wird man für die nächsten fünf Tage in ein Auto gesperrt. Also was macht man? Natürlich das beste draus! Wir haben Stunden um Stunden damit verbracht uns über unsere Leben auszutauschen, Geschichten zu erzählen und natürlich zu fahren. Im Gegensatz zu Maren und Lars, die beiden bilden schon seit 36 Jahren eine Einheit und das sieht man. Ein Paar das nach all diesen Jahren und Erlebnissen noch so zusammen interagiert ist wirklich schön zu sehen und sollte jedem ein Vorbild sein.
Nach ziemlich genau 1100km und über 11 Stunden auf Deutschen, Tschechischen und Ungarischen Autobahnen erreichen wir unser erstes Nachtlager in Gyöngyös, 80km östlich von Prag. Völlig fertig von der Fahrt treffen wir hier wieder auf Ulli und Wolfgang, die schon einige Zeit vor uns das erste Nachtlager erreicht hatten. Wir genehmigen uns noch eine Tagesabschlussbier und freuen uns auf nichts mehr als das wohlverdiente Bett. Nach einer erholsamen Nacht gab es noch ein kleines Frühstück und jede Menge gute Laune. Diese wurde nur leider nach einigen Kilometern etwas getrübt. Lars meldete sich per Funk bei uns und teilte uns mit das einige Kontrollleuchten wohl der Meinung waren sich zu melden. Also nächster Rastplatz. Kurz geschaut und es stand fest, das ABS macht Probleme. Auch hier geht wieder dank raus an die ganzen Unterstützer dieser Unternehmung. In diesem Fall an Isabel, die Chefin von D&G, die uns mit ihrer Fachexpertise telefonisch zur Seite stand. Es stand nach kurzer Diskussion fest, dass die Reise weitergeht und wir kurz nach der rumänischen Grenze in Satu Mare eine Werkstatt anlaufen. Nach drei Stunden Reparatur war der Crafter auch wieder einsatzbereit. Jetzt waren es noch 380km bis Siret. Doch wer denkt das wären so ca. 3 Stunden Fahrt, den muss ich enttäuschen. Die Karparten fingen an sich vor uns aufzutürmen und die Sonne ging unter, in der allmählichen Dämmerung überwunden wir die ersten Serpentinen und machten uns Gedanken über unser Nachtlager.
Am Mittwochmorgen ging es dann mit vollem Elan und einem wieder mal reichhaltigen Frühstück auf die Zieletappe mit 160km. Gegen Mittag erreichten wir endlich unser Ziel, das Warenhaus in Siret. Das unter der großartigen Leitung unseres Kontaktes Lilly zu einem fluktuierenden Knotenpunkt für Hilfsgüter aus allen Regionen Europas geworden ist. Augenblicklich standen Paletten bereit auf denen wir unsere Hilfsgüter, mit tatkräftiger Unterstützung der Ehrenamtlichen, sortieren sollten. Die Schuhkartons und die Medizinischen Güter wurden separiert und ließen vor Freude alle jubeln. Jetzt standen wir wieder vor leeren Autos, Ulli und Wolfang hatten uns aber von ihrem Plan erzählt in der Metro in Suceava einzukaufen, ein guter Plan! Nach kurzer Rücksprache mit Lilly bekamen wir eine Einkaufsliste einer neu gegründeten Geburtsklinik auf ukrainischer Seite. Mit diesem Einkauf konnten wir noch einmal etwa 3100€ an Spendengeldern einem mehr als gutem Zweck zukommen lassen. Lilly hatte in der Zeit, in der wir einkaufen waren, bereits einen Transporter organisiert, den wir voll bis unters Dach um 18 Uhr auch wieder direkt zur Geburtsklinik schicken konnten.
Was für ein langer und emotionaler Tag! Mit der untergehenden Sonne traten wir sogleich den Heimweg an, nur lange dauerte dieser Tag nicht mehr. Wir sehnten uns nach etwas zu essen, einem Bier, einer Dusche und vor allem nach einer Mütze Schlaf. Auch wenn wir während der Reise durchgehend sehr gut untergekommen sind, sehnten wir uns durchaus immer mehr nach unseren eigenen Betten. Bis dahin lagen aber noch 2000km Rückweg vor uns, also wieder lecker frühstücken und los ging die wilde Fahrt. Unser nächstes Ziel war Budapest, vor uns wieder die wunderschönen Karparten und das ewige grau der Straße. Auf der Rückfahrt trafen wir auf einige ukrainische Flüchtlinge, die uns auf gebrochenem Englisch etwas von ihrer Geschichte erzählen konnten. Es ist eine grausame Vorstellung so etwas durchmachen zu müssen. Den einen Tag sitzt man zusammen mit seiner Familie glücklich auf dem Sofa und ein paar Wochen später ist man auf der Flucht vor Krieg und Zerstörung.
Man muss nicht nur sein Hab und Gut zurücklassen, sondern im schlimmsten Fall auch seine Liebsten und Familienmitglieder. Immer in der Ungewissheit was bei einer Rückkehr in die Heimat vom vorherigen Leben noch übrig ist. Oft beschäftigt mich die Frage, warum sich Menschen so etwas antun müssen! Was bleibt von dieser Reise? Für mich unvergleichliche Eindrücke und die Lust mehr vom wirklich atemberaubenden Osten zu erfahren. Es war und ist immer noch ein großartiges Gefühl sich mit Menschen zusammen zu tun und etwas Gutes zu vollbringen. Die Ukrainehilfe Aller-Oker ist genau ein Zusammenschluss von Menschen, die es schaffen die Welt ein klein bisschen besser zu machen!